Ein
paar Worte über Billigkeit, Mäßigkeit und Toleranz (Auszug)
Was soll ich aber von jenen
sagen, die mir immer am verdrießlichsten gefallen sind und die meiste
Langeweile erregt haben? – Die als Knaben mit unnützer Hitze und wilder
Eitelkeit über Kunst und Wissen fielen und alles wie Blumen pflückten
und rissen, um sich damit zu putzen; die als Jünglinge noch Knaben
blieben, und sich bald mutlos dem Eigennutze, der Sorge für ihre
dürftige Wohlfahrt überließen, die sie ihr Schicksal, ihr Verhängnis
nannten? – Immer tiefer in das Leben hineingelebt, fällt es wie Mauern
hinter jedem ihrer Schritte, den sie zurückgelegt haben; sie sehn auch
nur vorwärts, ihrem Gewinne, ihren Titeln, ihrer Ehrerbietung entgegen,
die ihnen andre bezeigen, immer enger wird ihr Weg zu beiden Seiten,
immer mehr schrumpft ihr Herz zusammen, und das, woran sie leiden, ist
ihr Stolz, ihre Krankheit ist ihr Glück, die sie Erfahrung und Weisheit
nennen. Sie billigen mit einschränkendem Bedauern die Begeisterung,
weil sie sie für das Jünglingsfeuer halten, an dem sie sich als Kinder
auch verbrannten, um sich nachher desto mehr davor zu hüten: sie
behandeln den Enthusiasten gern wie einen jüngern unmündigen Bruder,
und sagen ihm, wie mit den Jahren alles, alles schwindet, und wie er
dann das eigentliche Leben, die eigentliche Wahrheit kennenlernt. So
unterweist der Schmetterling den Adler, und will, daß er sich doch auch
einmal, wie er getan, einspinnen soll, und dem Fluge und der tändelnden
Jugend ein Ende machen.
So wahr ist es, daß viele
in der Unerfahrenheit der Jugend noch am besten sind, daß die Klugheit
der Jahre sie erst mit dem dichtesten Nebel überhängt, und daß sie dann
den Glanz der Sonne leugnen. Wie aber lobst du, Unmündiger, deine
schwachen Götter, wenn du alle preisest? Nenne das Wort Toleranz nicht,
denn du verstehst es nicht: Du verfolgst, entwürdigst das Höchste, um
nur das Unbedeutende, Flache und Schlechte dulden zu können, du
verdammst den Heiland und bittest für den Schächer. Tolerant und
duldend ist der, der die Kunst mit wahrem Enthusiasmus liebt, er will,
daß alles nach seinem Maße in seinem Kreise ein eignes Leben führe,
sogar das Alberne und Abgeschmackte, nur will er nicht, daß man das
Gemeine an seine Götter reihe; ertragen will er alles, lieben und
anbeten aber nur das Höchste.
aus: Wackenroder/Tieck, Phantasien über die Kunst